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Manifest
Die digitale Unabhängigkeit der Schweiz für die Zukunft sichern
Ein Handlungsaufruf zur Sicherung der Rolle der Schweiz als weltweit führendes Land in Sachen digitale Neutralität
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Einführung
Die Schweiz, die für ihre historische Neutralität, politische Stabilität und globale Innovationsführerschaft bekannt ist, steht nun im digitalen Bereich vor einer kritischen Herausforderung, die strategische Entscheidungen für die nächsten Jahrzehnte erfordert. Während politische und wirtschaftliche Neutralität in der Schweiz häufig diskutiert wird, wird das Konzept der Neutralität in der Digitalpolitik, das Datenschutz, unvoreingenommene Forschung und Infrastrukturunabhängigkeit umfasst, überraschend selten diskutiert.
Diese mangelnde Aufmerksamkeit seitens Politikern, Medien, akademischen und geschäftlichen Kreisen in der Schweiz ist bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass der Technologiesektor in den letzten zwei Jahrzehnten der am schnellsten wachsende Motor der Wertschöpfung in modernen marktwirtschaftlichen Gesellschaften war. So wuchs beispielsweise die Marktkapitalisierung des US-Technologiesektors von 2015 bis 2025 von 3,4 Billionen Dollar auf unglaubliche 18,1 Billionen Dollar1. Dieses jährliche Wachstum von 18,2 % ist weitaus größer als das der meisten großen US-amerikanischen, ganz zu schweigen von den großen europäischen Sektoren. Von der Förderung des Wirtschaftswachstums bis zur Neugestaltung der globalen Geopolitik haben digitale Technologien die Funktionsweise von Gesellschaften grundlegend verändert.
1 Bloomberg L.P. (2025). Wachstum der Marktkapitalisierung im US-Technologiesektor (2015–2025). Abgerufen von Bloomberg Terminal.
Der Aufstieg von künstlicher Intelligenz, Blockchain und Cloud Computing wird sich beschleunigen. Ohne eine klare und entschlossene Strategie besteht die Gefahr, dass die Schweiz in diesem sich rasch entwickelnden Umfeld den Anschluss verliert. Dieses Manifest umreißt die Schlüsselattribute, die unserer Meinung nach für die Zukunft der Schweiz von wesentlicher Bedeutung sind.
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Was ist digitale Neutralität?
Die digitale Neutralität positioniert die Schweiz als vertrauenswürdigen globalen Hub für Daten, Forschung und Innovation, frei von politischer Einflussnahme und unabhängig von der wachsenden Spaltung in globale Machtblöcke. Unter Schweizer Rechtsprechung müssen gespeicherte Daten durch starke Rechtsrahmen geschützt werden, die Vertraulichkeit gewährleisten und externen Einflüssen widerstehen.
Über die Sicherheit hinaus fördert die digitale Neutralität unvoreingenommene Forschung und faire technologische Entwicklung, schützt vor monopolistischer Kontrolle und gewährleistet einen offenen Zugang zur Infrastruktur. Durch die digitale Neutralität stärkt die Schweiz ihre Unabhängigkeit und festigt ihren Ruf als Zentrum für Vertrauen, Sicherheit und technologische Fairness im digitalen Zeitalter.
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Die Schweiz als Ort für sichere Technologieentwicklung und digitalen Aufenthalt.
Die Schweiz hat die Chance, zu einem führenden Standort für Technologieunternehmen zu werden, die einen sicheren und unabhängigen Rechtsrahmen zum Schutz ihres geistigen Eigentums suchen.

Die Einrichtung eines digitalen Residenzprogramms sollte für die eidgenössischen und kantonalen Parlamente oberste Priorität haben. Diese Initiative würde es Unternehmen ermöglichen, sich unter Schweizer Rechtsprechung zu registrieren, zu betreiben und ihr geistiges Eigentum zu schützen, ohne dass eine physische Präsenz erforderlich wäre. Unternehmen könnten von sicheren Bankdienstleistungen, Rechtsschutz und potenziellen Steuervorteilen profitieren und gleichzeitig sicherstellen, dass ihre technologischen Vermögenswerte vor externen politischen oder regulatorischen Eingriffen geschützt bleiben.

Indem sie sich als sicherer Hafen für technologieorientierte Unternehmen positioniert, kann die Schweiz zukunftsorientierte Unternehmen anziehen und ihren Ruf als neutraler und sicherer digitaler Hub stärken, der mit ihren langjährigen Werten des Vertrauens, der Stabilität und der Unabhängigkeit im Einklang steht.

Genf ist Sitz der Internationalen Fernmeldeunion (ITU) und wichtiger UN-Institutionen für geistiges Eigentum. Die Schweiz hat damit eine einzigartige Ausgangsposition, um ihre globale Führungsrolle in digitaler Governance und Innovation zu nutzen. Eine Stärkung dieses Ökosystems würde nicht nur die Attraktivität der Schweiz für Technologieunternehmen steigern, sondern auch ihre Rolle als Schlüsselakteur bei der Gestaltung der Zukunft des Schutzes geistigen Eigentums auf internationaler Ebene festigen.

Einer eindeutig schweizerischen Tradition folgend sollten die Kantone die Führung bei der Ausgestaltung der Details und der Umsetzung aller digitalen Aufenthaltsprogramme übernehmen, während die Bundesregierung nur minimale Gesetze erlassen sollte, um sicherzustellen, dass die Initiative weder behindert noch behindert wird. Dieser Ansatz würde das dezentrale Regierungsmodell der Schweiz aufrechterhalten und gleichzeitig ein innovatives und wirtschaftsfreundliches Umfeld fördern.

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Digitale Souveränität stärken
Um echte digitale Neutralität zu erreichen, muss die Schweiz mehr Souveränität über ihre technologische Infrastruktur erlangen. Daten, Cloud-Dienste und digitale Infrastruktur sollten nicht zu stark von ausländischen Anbietern abhängig sein, da dies kritische Sektoren externen Risiken und Schwachstellen aussetzen würde.
Die Schweiz muss ihre Abhängigkeit von ausländischer Technologie aktiv reduzieren, lokale Innovationen fördern und Unternehmen anziehen, die bereit sind, sichere, unabhängige Lösungen innerhalb ihrer Grenzen zu entwickeln. Durch die Schaffung günstiger Bedingungen für Technologieunternehmen kann sich die Schweiz als souveräne und innovationsgetriebene globale Drehscheibe etablieren, ihre digitale Zukunft sichern und gleichzeitig ihre Neutralität wahren.
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Die Schweiz sollte ein Label „Neutral Tech“ schaffen
Eine anerkannte Zertifizierung für digitale Neutralität würde für Transparenz sorgen, Investitionen anziehen und Unternehmen auszeichnen, die sich für Datenschutz, Sicherheit und geopolitische Unabhängigkeit einsetzen.

Wir schlagen die Schaffung eines Labels für „Neutrale Technologie“ vor, das Unternehmen verliehen wird, die strenge Neutralitäts-, Datenschutz- und Privatsphärestandards einhalten. Diese Zertifizierung würde garantieren, dass zertifizierte Unternehmen:

  • Unabhängig von geopolitischen Agenden agieren
  • Höchste Standards der Datensicherheit einhalten
  • Frei von ausländischen Regierungseinflüssen bleiben

Ein solches Label würde das Vertrauen der Anleger stärken, Technologieunternehmen, die Schweizer Werte vertreten, auf den globalen Märkten hervorheben und die Position der Schweiz als Vorreiter in Sachen digitale Integrität stärken.

Der Schlüssel zum Erfolg dieser Initiative liegt in der Bestimmung der richtigen Stelle zur Ausstellung der Zertifizierung. Anstatt ein kostspieliges und möglicherweise ineffizientes Bundesamt einzurichten, sollte sich die Schweizer Regierung darauf konzentrieren, die Schaffung eines unabhängigen Expertenkonsortiums zu erleichtern. Diese Gruppe könnte aus führenden Institutionen wie KI-Forschungsgruppen, der EPFL, der ETH Zürich und Fintech-Organisationen bestehen. Durch die Zusammenführung von Experten für Cybersicherheit, digitale Governance und Finanztechnologie würde dieses Modell sicherstellen, dass das Label glaubwürdig, respektiert und international anerkannt ist, ohne unnötigen bürokratischen Aufwand.
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Das Wachstum von Technologieunternehmen beschleunigen
Um digitale Neutralität zu erreichen, ist ein starkes lokales Technologie-Ökosystem unabdingbar. Der beste Weg, dies zu fördern, besteht darin, die richtigen Bedingungen für organisches Wachstum zu schaffen und die Ansiedlung und Expansion von Technologieunternehmen in der Schweiz zu erleichtern.
Die Schweiz muss beschleunigte Verfahren für globale Unternehmer einführen, die im Land neutrale Technologien entwickeln. Dies bedeutet eine vereinfachte Unternehmensgründung, sofortigen Zugang zu Banken und einen starken Schutz des geistigen Eigentums. Indem die Schweiz zu einem schnellen, effizienten und sicheren Ort für den Aufbau von Technologieunternehmen gemacht wird, kann das Land Top-Talente anziehen, Innovationen vorantreiben und seine Position als weltweit führendes Land in Sachen digitale Neutralität sichern.
Ein starker Schutz des geistigen Eigentums ist zwar kein Alleinstellungsmerkmal – Länder wie die USA und Singapur bieten bereits ähnliche Sicherheitsvorkehrungen –, doch das wahre Alleinstellungsmerkmal der Schweiz sollte ihr Engagement sein, geistiges Eigentum vor staatlicher Militarisierung zu schützen. Indem die Schweiz sicherstellt, dass Innovationen unabhängig von staatlich gesteuerten strategischen Interessen bleiben, kann sie ein einzigartig neutrales Umfeld bieten, in dem Unternehmen Technologien ohne geopolitische Einmischung entwickeln können.
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Unsere bestehenden Vorteile
Die Schweiz verfügt bereits heute über einzigartige Stärken, die eine solide Grundlage für die digitale Neutralität bilden:
Ruf der Neutralität
Ein politisch stabiler und blockfreier Rechtsraum ist für Unternehmen, die ein sicheres Umfeld suchen, äußerst attraktiv.
Weltklasse-Bildung
Institutionen wie die EPFL und die ETH Zürich bringen außergewöhnliche Talente in den Bereichen Informatik, KI und Cybersicherheit hervor.
Sicherheit und Stabilität
Ein robuster Rechtsrahmen, eine stabile Wirtschaft und ein starkes Engagement für den Datenschutz machen die Schweiz zu einem idealen Zentrum für digitale Infrastruktur.
Allerdings behindern strukturelle und regulatorische Hürden weiterhin den Fortschritt hin zu echter digitaler Souveränität. Indem die Schweiz diese Herausforderungen angeht, kann sie ihre Wettbewerbsvorteile voll ausschöpfen und eine Vorreiterrolle in Sachen digitaler Neutralität einnehmen.
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Fazit: Eine digitale Zukunft im Einklang mit Schweizer Werten
Die Schweiz steht an einem Wendepunkt. So wie unser Land in der Geopolitik schon immer Neutralität verfochten hat, müssen wir dieses Prinzip nun auch auf den digitalen Bereich ausdehnen. Die Entscheidungen, die wir heute treffen, werden darüber entscheiden, ob die Schweiz eine Vorreiterrolle in Sachen digitaler Neutralität einnimmt oder ob sie Gefahr läuft, ihre Position als vertrauenswürdiger globaler Standort für Technologie und Innovation zu verlieren.

Um unsere Zukunft zu sichern, müssen wir entschlossen handeln. Wir sind der festen Überzeugung, dass wir daher Folgendes tun müssen:

  • Ein digitales Residenzprogramm einrichten, um technologieorientierte Unternehmen unter Schweizer Rechtsprechung anzuziehen und zu schützen.
  • Die digitale Souveränität stärken, indem die Abhängigkeit von ausländischer Infrastruktur verringert und lokale Innovationen gefördert werden.
  • Eine Zertifizierung für „neutrale Technologie“ schaffen, um Datenschutz, Sicherheit und Unabhängigkeit als Kernprinzipien der Schweizer Digitalpolitik zu wahren.
  • Das Wachstum von Technologieunternehmen beschleunigen, indem die Gründung, der Bankzugang und der Schutz des geistigen Eigentums vereinfacht werden.

Die Schweiz verfügt bereits über die Stabilität, das Talent und den teilweisen Rechtsrahmen, die für eine Führungsrolle in diesem Bereich erforderlich sind. Nun müssen wir diese Vorteile in konkrete Maßnahmen umsetzen.

Wir rufen politische Entscheidungsträger, Branchenführer, Wissenschaftler und Unternehmer auf, sich für die digitale Neutralität als Säule der Schweizer Innovation und Souveränität einzusetzen. Indem die Schweiz diese Vision annimmt, kann sie die Zukunft der Technologie nach ihren eigenen Vorstellungen gestalten – frei, unabhängig und sicher.

Jetzt ist es an der Zeit zu handeln!

Nicolas Ramseier
Autor des Manifests
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Igor Snizhko
Mitwirkender
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Simon Janin
Mitwirkender
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